Gespräch mit Generalvikarin Schwester M. Hanna Schmaus
Gespräch mit Generalvikarin Schwester M. Hanna Schmaus
Wie haben Sie gespürt, dass Sie zum Leben in der Ordensgemeinschaft berufen sind?
Ich bin katholisch sozialisiert in der einer Diasporagegend aufgewachsen. Glaube und Kirche waren mir immer wichtig. Nach meiner Ausbildung als Krankenschwester habe ich noch ein religionspädagogisches Studium absolviert, um Gemeindereferentin zu werden. In der Studienphase habe ich überlegt, wo mein Weg hingehen soll, wohin mich Gott führen will. Dabei standen bei mir alle Optionen offen. Um das Studium zu finanzieren, habe ich im Alten- und Pflegeheim St. Paulus gearbeitet und so Kontakt zu unserer Ordensgemeinschaft bekommen. Mich hat das Leben im Glauben und in der Gemeinschaft fasziniert. In meinem Inneren kam die Frage auf, ob das nicht auch ein Weg für mich sein könnte. Nach langem Suchen und Gebeten hatte ich eines Tages die innere Gewissheit, dass diese Kapelle, die Mutterhauskapelle, mein „Zuhause“ ist. Und damit war klar, ich werde hier eintreten.
Welche besondere Anziehungskraft hatte die Kongregation der Barmherzigen Schwestern in Hildesheim für Sie?
Ich kannte auch andere Ordensgemeinschaften, sogar andere vinzentinische Ordensgemeinschaften, aber mit keiner dieser Gemeinschaften hat es „gefunkt“, das hat es in Hildesheim. Was die besondere Anziehungskraft war, weiß ich gar nicht so genau. Mich hat die „Menschlichkeit“ der Schwestern angesprochen, die wunderschöne Kapelle. Sie waren so normal in der Begegnung, es wurde gelacht, es gab auch klare Worte, Trauer, die ganze Bandbreite des menschlichen Lebens, mit dem Ziel für die Menschen da zu sein, die es brauchten.
Was fasziniert Sie am vinzentinischen Charisma?
Mich hat immer fasziniert, wie Vinzenz von Paul und Luise von Marillac versucht haben, das Evangelium zu leben. Sie haben das getan, was in den Seligpreisungen zu lesen ist, nämlich den Armen, Trauernden und Notleidenden beizustehen. Sie haben das Ideal der Nächstenliebe in die Tat umgesetzt. Und zwar nicht allein, sondern in Zusammenarbeit mit vielen Menschen, um gemeinsam die Welt ein wenig besser zu machen. Das versuche ich, versuchen wir als Gemeinschaft ebenso, und das gemeinsam mit vielen Menschen, von den ich gleichzeitig viel lerne.
Was hat Sie dazu bewogen, Ihren Schwesternnamen zu wählen?
Ich habe um meinen Ordensnamen gebetet, ihn mir von Gott zusprechen lassen. Er kommt aus dem Alten Testament, aus dem Buch Samuel. Hanna ist die Mutter Samuels. Dazu muss ich etwas in die biblische Geschichte gehen. Zunächst schien es, als sei Hanna unfruchtbar, was als Schande galt. Ihr Mann hat noch eine zweite Frau, die Kinder hatte. Im Tempel hat Hanna Gott um einen Sohn gebeten, ein Jahr später hat sie einen Sohn geboren, Samuel. Nach drei Jahren hat sie diesen Sohn an den Priester des Tempels zur Ausbildung gegeben. Sie hat ihn sozusagen wieder an Gott zurückgegeben. Aus ihm ist später ein großer Prophet geworden. Das hat mich damals so sehr berührt, eine Mutter, die den lang ersehnten Sohn erbeten und an Gott zurückgegeben hat, was für ein Mut, eine Größe. Was für eine innere Haltung Gott gegenüber muss diese Frau gehabt haben. Das hat mich zutiefst berührt und ich habe gespürt, dass Gott mir diesen Namen zusprechen möchte. Hanna heißt übersetzt „die Begnadete“. In diese Gnade versuche ich immer mehr hineinzuwachsen.
Was sind die spirituellen Fixpunkte in Ihrem Tagesablauf?
Fixpunkte sind die Gebetszeiten. In der Regel bin ich ab 6 Uhr in unserem Meditationsraum, um meine tägliche Betrachtungszeit zu halten. Das heißt, ich lese das Tagesevangelium und gehe damit ins Gebet. Kurz, was sagt mir dieser Text heute? 6:40 Uhr beten wir gemeinsam das Stundengebet der Kirche, die Laudes, anschließend geht es in den Dom zur Eucharistiefeier. Mittags ein kurzes, persönliches Innehalten. 18 Uhr die gemeinsame Vesper. Der Abend gestaltet sich sehr unterschiedlich, wird aber immer mit dem Abendgebet abgeschlossen, ich bete immer das „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“. Zwischendurch versuche ich auch immer noch, persönlich mit Gott im Gespräch zu sein. Wenn ich in der Stadt oder mit dem Auto unterwegs bin, bete ich den Rosenkranz.
Welchen Beruf haben Sie erlernt?
Examinierte Krankenschwester und Gemeindereferentin.
Welcher Tätigkeit gehen Sie heute nach?
Derzeit bin ich mit in der Ordensleitung tätig, zuständig für die Ausbildung der Ordensschwestern, Berufungspastoral, die Spiritualität der Gemeinschaft sowie die Liturgie im Haus. Im organisatorischen Bereich ist innerhalb der Gemeinschaft viel zu tun. Außerdem nehme ich an vielen Sitzungen und Arbeitsgemeinschaften mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Verwaltung und den Einrichtungen teil. Darüber hinaus bin ich Geistliche Begleiterin und Exerzitien-Begleiterin.

Wenn Sie auf Ihr Leben blicken: In welchen Momenten hatten Sie das Gefühl, besonders im Sinne der Werte des Hl. Vinzenz und der Hl. Luise zu wirken?
In meiner Tätigkeit als Gemeindereferentin und auch heute gab und gibt es immer wieder solche Momente, an denen ich das vielleicht fühle. Aber ich weiß nicht, ob es wichtig ist, das zu fühlen. Was ich mir für mich wünsche und hoffe, dass ich immer mehr in die Haltung der vinzentinischen Werte hineinwachse, darum bete ich. Im Grunde vollzieht es sich in jeder Begegnung mit Menschen und der Schöpfung.
Welche Werte würden Sie gerne den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Einrichtungen der Vinzentinerinnen Hildesheim mitgeben?
Ich möchte mit einem Zitat des Heiligen Vinzenz antworten: „Gewöhne dich daran, Dinge und Menschen immer und in jedem Fall nach ihrer guten Seite hin zu beurteilen.“ Das ist unter Umständen eine Herausforderung, aber es hat viel damit zu tun, die Würde anderer Menschen zu achten, Barmherzigkeit zu leben. Das wünscht sich jeder für sich selbst. Und deshalb sollten wir auch unseren Nächsten in dieser Haltung begegnen.