Gespräch mit Generaloberin Schwester M. Teresa Slaby

Gespräch mit Generaloberin Schwester M. Teresa Slaby

 Wie haben Sie gespürt, dass Sie zum Leben in der Ordensgemeinschaft berufen sind?

Mir war früh klar, dass ich mein Leben auf Gott ausrichten wollte. Aber ich hätte mir dieses Leben auch mit einem Partner vorstellen können, der christlich orientiert ist, mit vielen Kindern. Die Vorstellung, dass es Ordensleben sein soll, das kam später. Es war ein starkes Gefühl, das alles aushebelte, die Karten neu mischte. Es lässt sich vielleicht mit Verliebt-Sein vergleichen. Mir war klar: Da bin ich angefragt. Eine Zeit der Selbsterforschung begann. Wo brennt es in mir? Als ich mich dann entschieden hatte, bei den Vinzentinerinnen hier in Hildesheim einzutreten, erfüllte mich das mit einem Gefühl von Freiheit und Glück. Ich habe mich auf ein Beziehungsgeschehen eingelassen mit Gott und Jesus Christus. Und diese Beziehung trägt mich, durch Höhen und durch Tiefen, bis heute.

Schwester Teresa vor dem Sozialcafé Vinzenzpforte. 

Welche besondere Anziehungskraft hatte die Kongregation der Barmherzigen Schwestern in Hildesheim für Sie?

Tatsächlich war es der Tag der offenen Tür im Mutterhaus. Ich bin durch den alten Haupteingang an der Neuen Straße hereingekommen, ins Erdgeschoss, wo die Statue des Heiligen Vinzenz mir freundlich entgegengeschaute. Und irgendwie habe ich gemerkt, hier gehöre ich hin! Ins Mutterhaus. Und ich habe mich, um ehrlich zu sein, erst einmal zu Tode erschrocken. Und doch, es ist dabeigeblieben. Das Mutterhaus ist mein Zuhause.

Was fasziniert Sie am vinzentinischen Charisma?

Was mich am Heiligen Vinzenz besonders berührt: dass er die Menschen ernst genommen hat, wie sie sind. Gerade auch Menschen, die gesellschaftlich aus vielen Zusammenhängen rausgefallen sind. Vinzenz hatte diesen Blick auf das Eigentliche in den Menschen. Er hat etwas Tieferes in ihnen gesehen – auch, weil er die Menschen durch seinen Glauben an Gott und Jesus Christus anschauen konnte.

Was hat Sie dazu bewogen, Ihren Schwesternnamen zu wählen?

Mein Name sollte für Kinder gut aussprechbar sein und einen biblischen Ursprung haben. Ich war eine Weile auf der Suche. Und irgendwann mischten sich alle ein. Es war kompliziert. Und dann, als ich nicht mehr wusste, wo mir der Kopf stand, begegnete mir die Heilige Teresa von Ávila in einem Seminar. Die heilige Teresa, eine Karmelitin, hat im Spanien des 16. Jahrhunderts gewirkt. Sie hat das Gebet gelebt und in ihren Schriften weitergegeben, insbesondere an ihre Mitschwestern. Eine große Frau, die viel in der damaligen Kirche bewegt hat – obwohl Frauen damals sehr wenig zu bewegen hatten. Teresa hat sich mit den Kirchenoberen befasst, sich angelegt, aber auch mit ihnen zusammengearbeitet. Und ich wusste, das ist mein Name. Teresa, in der spanischen Schreibweise, ohne H.

Was sind die spirituellen Fixpunkte in Ihrem Tagesablauf?

Ich starte am frühen Morgen in den Tag mit einer Meditationszeit. Anschließend beten wir gemeinsam das Stundengebet, die Laudes. Es folgt die Eucharistiefeier, oft im Dom. Am Abend nehme ich mir neben dem Stundengebet mit meinen Mitschwestern immer wieder die Zeit, in mich, in die Stille und ins Gebet zu gehen. Es ist gut, wenn auch nicht immer einfach, echte Stille zu erleben. Es sind die Momente, in denen wir Gott und Jesus Christus begegnen. Und zugleich uns selbst. Schließlich kommen in Momenten der Stille die vielen Gefühle und Gedanken das Tages hoch. So erlebe ich im Gebet, wie ich selber ausgerüstet bin. Mit diesem wachen Blick kann ich in der Folge auch anderen Menschen begegnen.

Welchen Beruf haben Sie erlernt?

Ich bin ausgebildete Erzieherin und Diplom-Sozialpädagogin.

Welcher Tätigkeit gehen Sie heute nach?

(lacht) Ja, das möchte ich auch gern wissen. Ich bin als Generaloberin Leiterin der Kongregation und damit die Letztverantwortliche, sowohl für die Mitschwestern als auch für unsere Einrichtungen. Das hat viel mit Management zu tun, aber auch mit Begleitung und Dasein. Ich schaue, ob die Einrichtungen gut aufgestellt sind. Was es in der Organisationsentwicklung braucht. Ich besuche unsere Einrichtungen und komme mit Mitarbeiter*innen und Partnern ins Gespräch. Das gilt natürlich auch für unsere Häuser in Peru. Auf der anderen Seite liegt mir das Wohl meiner älteren Mitschwestern in Hildesheim sehr am Herzen. Hier ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich alle gut aufgehoben fühlen. Und es auch sind.

 

 

Wenn Sie auf Ihr Leben blicken: In welchen Momenten hatten Sie das Gefühl, besonders im Sinne der Werte des Hl. Vinzenz und der Hl. Luise zu wirken?

Was mir besondere Freude bereitet, sind diese Momente, wenn Menschen auf mich zukommen, die einen vinzentinischen Gedanken aufgegriffen und etwas ganz Eigenes daraus entwickelt haben. Manchmal braucht es ja diesen kleinen Funken. Das Know-How und die Empathie, um Barmherzigkeit ins Hier und Jetzt zu bringen, haben viele Menschen, insbesondere auch die wunderbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mutterhaus und in unseren Einrichtungen. Außerdem fühle ich mich im Gespräch mit den Menschen meinen vinzentinischen Wurzeln besonders nah. Manchmal geht es einfach darum, jemanden anzusprechen, einen Hoffnungsschimmer zu bieten in einer chaotischen Situation. Hinschauen und zuhören, das ist wichtig.

 

Welche Werte würden Sie gerne den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Einrichtungen der Vinzentinerinnen Hildesheim mitgeben?

Ich möchte das Bewusstsein weitergeben, dass Sie, jede und jeder, von Gott gesehen wird. Und dass wir mit diesen wachen Augen auch auf die Menschen um uns herumschauen dürfen. Dass wir den Wert in anderen entdecken und zulassen können, dass jeder Mensch unterschiedliche Erfahrungen, Talente und Fähigkeiten mitbringt. Wenn wir uns selbst im Ja erleben, dann können wir diese Erfahrung an andere weitergeben. Ja sagen, zu den Menschen. Ja, zu Gott.